Die Stakeholder eines Chores

Einen Schritt weiter – jetzt werden die Stakeholder des Kulturbetriebs „Chor“ ganz konkret gefasst – um die geht es, um deren Bedürfnisse und Interessen muss sich erfolgreiches Chormanagement drehen.

Da sind zunächst die internen Stakeholder – das sind jene, die ganz nah und unmittelbar an der Erfüllung des kulturellen / künstlerischen Auftrags dran sind und die Chorarbeit im engsten Sinn erfüllen:

Die SängerInnen, die künstlerische Leitung, das meist ehrenamtliche Führungsteam (der Vereinsvorstand, das Präsidium o.Ä.).

Der nächste Kreis der Stakeholder, einen konzentrischen Kreis weiter nach außen gedacht, umfasst jene Gruppen, die an der Erstellung des Produktes auch beteiligt sind oder Konsumenten des Produktes sind:

Ehren- und hauptamtliche MitarbeiterInnen, das Publikum, also die Kunden des Chores, Kooperationspartner (wie Solisten, Dirigenten, Komponisten, Orchester, andere Chöre usw.), Auftraggeber (wie externe Veranstalter, Agenturen o.Ä.), Lieferanten (Post, Telefonanbieter, Botendienste usw. für den administrativen Bereich; Grafiker, Fotografen etc. für die Umsetzung der Corporate Communication, u.Ä.), Verlage (insbesondere Musikverlage – relevant die Frage des Urheberrechts), und sämtliche Geldgeber, seien dies Spender, Sponsoring-Partner oder Subventionsgeber (Zuwendungen seitens der öffentlichen Hand).

Noch einen Schritt weiter nach außen gedacht sind für eine Chor Bund, Länder, Gemeinden (z.B. durch Gesetzgebung, Verordnungen oder Bescheide), Verbände, die Öffentlichkeit und die Gesellschaft für den Chor relevante Stakeholder.

08 Abb Stakeholder eines Chores

Alle diese genannten Gruppen sind unmittelbar oder mittelbar von der Erfüllung des künstlerischen Auftrags (der Chorarbeit, die in einem Auftritt mündet) betroffen, haben unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Bedürfnisse, die der Chor kennen und auf die er seine Arbeit ausrichten sollte, um erfolgreich zu sein.

In den folgenden Blogs werde ich nacheinander die Besonderheiten der einzelnen Stakeholdergruppen vertiefen und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Chorarbeit herausarbeiten.

Erste Buchrezension online!

Heute ist online die erste Rezension zu meinem Buch „Erfolgreiches Chormanagement. Ein Leitfaden“ erschienen – am Musikwirtschaftsforschungs-Blog von Peter Tschmuck:

“Der Chor ist ein Kulturbetrieb, und sein Wirkungsbereich geht weit über das Singen hinaus” (S. 110). Das ist die Kernbotschaft des jüngst im facultas Verlag erschienen Buches “Erfolgreiches Chormanagement. Ein Leitfaden” von Alexandra Jachim. Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Als studierte Betriebswirtin und Absolventin des postgradualen Kulturmanagement-Lehrgangs am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft (IKM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien verbindet sie ihre wirtschaftlichen Kenntnisse mit ihrer Erfahrung im Chorwesen, in dem sie seit über 20 Jahren aktiv als Sängerin und als Chormanagerin aktiv ist. Wie der Untertitel des Buchs bereits andeutet, handelt es sich bei diesem Buch um einen Handlungsleitfaden für alle im Chorwesen Beschäftigten und daran Interessierten. …“

Die gesamte Rezension ist unter

http://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2013/04/18/erfolgreiches-chormanagement-eine-buchbesprechung/

zu finden.

Wie finde ich die Stakeholder und wie gehe ich mit deren Ansprüchen um?

Um sich an den Stakeholdern des Kulturbetriebs orientieren können, sind zwei wichtige Kernfragen zu klären: Wer sind die Stakeholder und wie gehe ich mit deren Ansprüchen um?

Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, mit wem man es überhaupt zu tun hat, ist sie Orientierung an folgenden Kriterien hilfreich:

Teilnahme und Stellungnahme
Sind die Akteure im Zusammenhang mit einem Thema oder Problem durch eine positive oder auch negative Äußerung oder Handlung in Erscheinung getreten? Z.B. Kritiker, wichtige Personen der Chorszene, einflussreiche Kulturpolitiker

Formale Position
Haben die Akteure eine formalisierte, also vertragliche Beziehung zur Organisation? Z.B. die Mitglieder des gewählten und damit legitimierten Vereinsvorstandes, der Rechnungsprüfer, ein Veranstalter

Vermutetes Interesse
Z.B. die Chormitglieder, das Publikum, die Gemeinde Meinungsführerschaft Akteure können unmittelbar betroffen sein oder indirekt andere Stakeholder beeinflussen. Z.B. treue engagierte Fans im Publikum, die ihre Begeisterung, aber auch ihre Enttäuschung nach einem Konzert via Facebook öffentlich machen

Aufgabenumfeld
Haben die Akteure mehr oder weniger direkte wirtschaftliche Beziehungen mit der Organisation? Z.B.: haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, Publikum usw.

Demographische Kriterien
Diese helfen weniger bei der Identifizierung der Stakeholder, sondern geben Aufschluss über deren Zusammensetzung bei einer weiteren Differenzierung. Z.B. das Publikum: Wie ist die Altersstruktur? Wie ist der Bildungsgrad (vielleicht für die Programmgestaltung von Bedeutung)?, Von woher reisen Besucher zum Konzert an? etc.

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Wie registriere und berücksichtige ich die Veränderlichkeit der Anspruchsgruppen über die Zeit?

Die Definition der Stakeholder ist kein einmaliger Akt, sondern ein dauernder Prozess der intensiven Beobachtung, Analyse, Bewertung und Reaktion. Denn: Probleme werden beigelegt, Allianzen lösen sich auf oder bilden sich neu, Rahmenbedingungen verändern sich. Diesen Veränderungen über die Zeit muss in der stetigen Auseinandersetzung mit den Anspruchsgruppen Rechnung getragen werden. Dabei können Beziehungen zwischen verschiedenen Stakeholdern wie auch zwischen Stakeholdern und der Organisation sowohl kooperativ, als auch unterstützend als auch konfliktträchtig oder durch Interessensgegensätze geprägt sein. Die Vertiefung der Beziehungen zu unterstützenden Stakeholdern gehört daher ebenso dazu wie die Abwehr illegitimer oder der Organisation feindlich gesonnener Stakeholder.

Diese Beschreibungen mögen hölzern und mühselig erscheinen! Aber um den Ansatz des Stakeholdermanagements umfassend zu verstehen, ist das Verstehen der Grundlagen unerlässlich. Einige wenige Blogs folgen noch, dann wird Stakeholdermanagement praktisch und greifbar! Bitte entweder durchhalten oder beim Lesen pausieren!

Stakeholdermanagement – Was ist das und was hat das mit dem Kulturbetrieb zu tun?

Ich nähere mich dem Begriff step by step: „The stake“ ist die Beteiligung, der Anteil, im immateriellen Sinn (und ist nicht mit dem Steak zu verwechseln …).

Die „stakeholder“ werden definiert als Anspruchsgruppen bzw. Interessengruppen im Umfeld oder innerhalb einer Organisation (vgl. Theuvsen, Münster 2001). Schon einen Eindruck, wer die sein können? Noch zu allgemein? Dann konkreter: Stakeholder sind solche Gruppen, die eine Beteiligung an einem oder Anspruch auf ein Unternehmen haben. Insbesondere zählen hierzu Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und der lokalen Gemeinschaft, sowie Management in seiner Rolle als Vermittler für diese Gruppen (vgl. Freeman/Evan, 1993). Und noch aus einem weiteren Blickwinkel: Zu den Stakeholdern zählen alle Individuen und Gruppen, die auf die Erreichung der Organisationsziele Einfluss nehmen können oder selbst durch die Verfolgung der Organisationsziele betroffen sind. (Vgl. Liebl 1996, vgl. Eschenbach / Horak 2003). Die Ansprüche gehen dabei über die rein ökonomische Sphäre hinaus – eine Vielzahl verschiedener Werte kommt ins Spiel. Die Stakeholder sind also an der Organisation, dem Unternehmen, dem Kulturbetrieb, an deren Input, Produktion, Output beteiligt, aber eben immateriell und nicht materiell, daher sind die Stakeholder nicht mit dem Shareholder, der Unternehmensanteile besitzt und diese auch zu Geld machen kann, zu verwechseln.

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Management in Kulturbetrieben bezeichnet alle Steuerungen zur Erstellung und Sicherung von Leistungen, die sich in einer komplexen und veränderbaren Umwelt abspielen und die auf Austauschbeziehungen zwischen Anbietern (Künstler, Chor, Orchester, Ensemble, Theatergruppe etc.) und Nutzern ausgerichtet sind (Heinrichs, Klein, München 2001).

Stakeholder-Management bedeutet daher, die Anspruchsgruppen und deren Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen zu einem Kernthema des strategischen Managements zu machen. Im Mittelpunkt steht das Ziel, einen Beitrag zur langfristigen Überlebensfähigkeit einer Organisation zu leisten.

Stakeholder-Management ist ganz besonders für den Kulturbetrieb, noch mehr für den NPO-Betrieb, ein Kernthema. Das Kennen seiner Anspruchsgruppen, die Beurteilungsfähigkeit ihrer Bedeutung und Wichtigkeit und deren Berücksichtigung in der strategischen Ausrichtung und in der operationalen Umsetzung macht den Kulturbetrieb zu einem exzellenten Betrieb. Das Zusammenspiel der optimierten Leistungserbringung in allen relevanten Teilbereichen (inklusive der künstlerischen Leistung, aber eben nicht ausschließlich!) bewirkt eine Qualitätsverbesserung der künstlerischen Leistung an sich. Gleichzeitig führt dies aber auch zur Verbesserung des Auftritts nach außen, der nach den eigenen Vorstellungen glaubwürdig und authentisch gestaltet wird, zur Verbesserung der Arbeit überzeugter und engagierter Mitarbeiter, zur Verbesserung der Wahrnehmung der Professionalität durch Vertrags-, Kooperationspartner, der Kompetenz und Verlässlichkeit usw.

Wer nun die Stakeholder eines Kulturbetriebs sind, lesen Sie im nächsten Beitrag!

Zieldefinition im Kulturbetrieb am Beispiel Chor

Haben Sie einmal Mission und Vision formuliert (siehe letzter Blogbeitrag), ist die nächste Aufgabe, daraus Ziele abzuleiten und diese in Strategien zur Zielerreichung herunter zu brechen. Die strategischen Ziele spannen den großen Bogen, geben die große Linie vor. Die operationalen Ziele beschreiben dann, wie die strategischen Ziele bezogen auf konkrete Aufgabenbereiche in die Tat umgesetzt werden. Operationalisierbar bedeutet, dass die Zielerreichung messbar ist. Nach wie vor sind die Zieldimensionen des Kulturmarketings (Kulturauftrag erfüllen, eine bestimmte Zielgruppe erreichen, den Bestand der Kultureinrichtung sichern) Basis für die Arbeit im Kulturbetrieb und die Besonderheiten der Nonprofit-Organisation (siehe frühere Blogs) zu berücksichtigen. Die Legitimation für den NPO-Kulturbetrieb kommt nicht aus der Gewinnorientierung, sondern aus künstlerischen, kulturpolitischen, ästhetischen, kulturpädagogischen oder inhaltlichen Zielsetzungen.

Im Prozess der Zielvereinbarung geht es darum, mehrere Zieldimensionen im Auge zu behalten:

1. Inhaltliche Leistungsziele, also den Zielinhalt und den angestrebten Zielerreichungsgrad
Z.B.: Welche Bedeutung soll zeitgenössischer Chorliteratur entgegengebracht werden? Welche Qualitätsansprüche werden an die Sänger gestellt?

2. Die Zielgruppen
Z.B.: Welche Zielgruppen sollen mit welchen Konzertprogrammangeboten vorrangig erreicht werden?

3. Finanzziele, die den zur Zielerreichung nötigen personellen, finanziellen und sachlichen Ressourcenaufwand fixieren.

4. Personenbezogene Ziele, die sich auf die Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter beziehen
Z.B. Eine MitarbeiterIn soll mittelfristig die Website ganz selbstständig betreuen, Informationen einpflegen, aktuelle Fotos in entsprechender Auflösung und Qualität hochladen o.Ä.m.

5. Die zeitliche Dimension, also ob es sich um ein lang-, mittel- oder kurzfristiges Ziel handelt.

6. Quantitatives oder qualitatives Ziel
Z.B.: erzielte Einnahmen oder künstlerisch einzigartige Performance

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Im Idealfall entsprechen die Zieldefinitionen den SMART-Kritierien, das bedeutet, dass die Ziele spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminbezogen formuliert sind. Damit werden sie erstens konkreter und zweitens kann hinterher klar beurteilt werden, ob Ziele erreicht wurden oder nicht.

Spezifisch bedeutet, unmissverständlich zu benennen, worum es geht. Die Formulierung soll keinen Spielraum für Interpretationen oder Nachforderungen übrig lassen.

Messbar meint, Ziele so zu formulieren, dass später objektiv erkennbar und nachweisbar ist, ob das Ziel eingehalten und erreicht wurde, oder nicht. Begriffe wie „höher“, „weiter“, „besser“, „mehr“ oder „zufrieden“ helfen bei der Überprüfung der Zielerreichung nicht weiter!

Attraktiv bedeutet, dass man die Zielerreichung weitgehend selbst beeinflussen kann. Man beschreibt also bei der Zielformulierung bereits den beabsichtigten Endzustand, als ob er bereits eingetreten wäre. Realistisch meint, dass das Ziel anspruchsvoll, aber nicht unerreichbar formuliert werden soll. Das formulierte Ziel soll eine erreichbare Zukunftsperspektive darstellen.

Realistisch meint, dass das Ziel anspruchsvoll, aber nicht unerreichbar formuliert werden soll. Unerreichbare Ziele wirken demotivierend und zerstören den Handlungsantrieb. Das formulierte Ziel soll eine erreichbare Zukunftsperspektive darstellen.

Terminbezogen bedeutet, die Zielkontrolle dadurch zu unterstützen, dass bereits bei der Formulierung des Ziels festgelegt ist, zu welchem Zeitpunkt (eindeutiger Endtermin!) ein Ziel erreicht sein soll.

Zielkonflikte sind dabei nicht zu vermeiden. Es gilt, sie zu erkennen und eine Abwägung in der Priorität der Zielerreichung zu treffen.

Wofür diese grundsätzlichen Überlegungen in der Praxis so überaus wertvoll sind, wird durch ein praktisches Beispiel aus dem Chorleben leicht nachvollziehbar:

Sie planen ein Konzert Ihres Chores mit zeitgenössischer a cappella Literatur. Gehen wir davon aus, dass Sie sich entsprechend Ihrer Mission als Spezialist für die Interpretation dieser Chorliteratur verstehen. Gleichzeitig wissen Sie, dass Ihr Publikum lieber romantische Chormusik (z.B. Werke von Johannes Brahms oder Anton Bruckner) hört und auch ein Teil Ihrer Sänger diese Literatur lieber aufführt als zeitgenössische Werke. Zudem ist die Probenarbeit weit aufwändiger für ein zeitgenössisches Programm. Der Finanzierungsbedarf ist also höher als bei einem romantischen Programm und die Begeisterung Ihres Publikums scheint zurückhaltender zu sein, wenngleich Sie bei einem solchen Programm stark auf die Abendeinnahmen angewiesen sind. Öffentliche Förderungen wiederum sind nach Ihrer Erfahrung leichter für ein zeitgenössisches als für ein romantisches Programm zu erzielen. Die Beschreibung der Auswirkungen auf Ihre unterschiedlichen Anspruchsgruppen könnte noch weiter ausgeführt werden. Klar wird an diesem Beispiel, dass die Beurteilung, ob ein solches Projekt in Ihr Zielsystem passt und wie gegensätzlich Ihre Ziele sein können, überaus komplex ist. Sie stehen dann vor einer wirklich großen Herausforderung und werden auch über Zielhierarchien, also die Frage, die Verfolgung welcher Ziele Ihnen wichtiger ist, entscheiden und Zielkonflikte lösen müssen.

Ein Zielsystem ist nicht als Einschränkung und enges Korsett zu verstehen, in das man sich nicht gerne zwängen lassen will, sondern vielmehr eine unterstützende Basis für Entscheidungen und die Erfüllung der anstehenden Aufgaben. Egal, ob es dann um Fragen der Erfüllung des künstlerischen Auftrags, um Fragen der Zielgruppen oder um Fragen der Bestandssicherung geht, kann auf der Grundlage klar definierter Ziele im Konfliktfall klarer und rascher die passendste Lösung gefunden werden.

Mission und Vision im Kulturbetrieb am Beispiel Chor

Wenn man in einem Chor danach fragt, wofür dieser steht und was er verwirklichen will, welchem kulturellen Auftrag er sich verpflichtet fühlt, erhält man allzu oft fragende Blicke oder die Antwort „Wir singen diese und jene Werke bei diesem oder jenem Anlass mit diesen und jenen Partnern!“ oder „Wir müssen uns nach der Nachfrage durch Veranstalter richten. Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen können wir uns gar nicht in dem Bereich verwirklichen, der uns eigentlich ein Anliegen ist.“ oder „Das ist doch eh klar. Wir machen das, was sich in den letzten Jahren für uns bewährt hat.“ Stimmt schon, das ist oft die Realität, der man sich gegenüber sieht. Aber was will man eigentlich inhaltlich?

„Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt“, wusste bereits Mark Twain.

_NIK4503_5_7Das gilt für Kulturbetriebe ebenso: Abseits des Choralltags und losgelöst von der Bewältigung organisatorischer Aufgaben sollten sich Chorleitung und Führungsgremium mit der Grundsatzfrage auseinandersetzen, was man eigentlich will, wofür man steht, worin man seine Einzigartigkeit und seine besonderen Fähigkeiten sieht. Man spricht von der Formulierung der eigenen Mission – vom „reason for being“, also dem Grund, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, überhaupt gibt. Ein oder zwei Sätze beantworten Fragen wie „Wofür halten wir uns kompetent?“, „Wo liegen die wahren Möglichkeiten und Bedürfnisse in unserem Umfeld?“, „Wie können wir diese Bedürfnisse mit unseren begrenzten Mitteln realisieren?“ und „Glauben wir auch daran, haben wir das Committment, die gestellten Aufgaben zu erfüllen?“.

Durch die Formulierung von Grundwerten und der Grundausrichtung kann sich der Kulturbetrieb Chor in weiterer Folge auf seine wichtigsten Aufgaben und Handlungen fokussieren. Das sogenannte Mission Statement dient als Orientierungshilfe und normativer Rahmen, innerhalb dessen zielorientiert alle weiteren Handlungen gesetzt werden.

Der zweite wichtige Aspekt ist, diese Grundausrichtung in eine Vorstellung für die Zukunft, die Vision, überzuleiten. Die Vision wird aus der Mission weiterentwickelt und beinhaltet eine Antwort auf die Frage, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, auch noch nach einigen Jahren nicht nur geben soll, sondern geben muss, wohin er sich in den nächsten Jahren entwickeln will. Aus der Mission wird also einerseits die Grundlage der dauerhaften Existenz abgeleitet und gleichzeitig andererseits ein positives Abbild der Entwicklung gezeichnet, das der Kulturbetrieb aus seiner Mission heraus in der Zukunft erreichen will.

Erst wenn das klar ist, können lang-, mittel- und kurzfristige Ziele formuliert und nachhaltig verfolgt werden, können Ressourcen auf diese Ziele hin geplant und eingesetzt werden, können Finanzierungen für Projekte gesucht werden usw.

Idealerweise gibt man diesen Grundsatzüberlegungen in einer eigens dafür vorgesehenen Sitzung, in einer Klausurtagung o.Ä. Platz, damit operative Fragen des Choralltags, die sonst stets dringlicher sind, nicht die Grundsatzdiskussion überlagern. Wichtig ist, ein einhelliges Grundverständnis über Mission und Vision unter allen handelnden Entscheidungsträgern herzustellen. Nur so ist gewährleistet, dass alle Beteiligten die gleiche Zielrichtung eingeschlagen haben und den Chor in dieselbe Richtung  weiterentwickeln wollen. Uneinigkeit in der Grundrichtung vereitelt konstruktive Arbeit in der Umsetzung der Mission und Vision, verursacht in der Folge Zielkonflikte und lässt Maßnahmen des Kulturmarketings ins Leere gehen.

Lesen Sie im nächsten Blog weiter über Ziele und Strategieentwicklung im Kulturbetrieb!

Der Kulturbetrieb als Nonprofit-Organisation

Viele kleine und mittlere Kulturvereine wie Chöre, Theatergruppen, Ensembles sind als nicht auf Gewinn gerichtete Vereine, als Nonprofit-Organisation (NPO), konstituiert. Sie sind ausgerichtet auf die Realisierung einer bestimmten Mission, einer Gründungsidee, eines künstlerischen Anspruchs. „Wir stehen für a cappella-Literatur auf höchstem Niveau.“ Oder „Unser Vereinszweck besteht darin, Gottesdienste und andere kirchliche Anlässe musikalisch zu gestalten.“ Oder „Wir sind eine Amateurtheatergruppe und machen Sprechtheater, Musical, Kindertheater, Chorkonzerte.“ Künstlerische Entfaltung steht im Zentrum, wirtschaftliche Ziele treten im Gegensatz zu gewinnorientierten Organisationen in den Hintergrund.

Doch diese Eigenschaft ist nur eine von mehreren, die in Entfaltung, das Tätigwerden einer NPO, besonders und beachtenswert sind.

Eine NPO ist ein offenes, soziales System. Sie unterhält stetig Beziehungen zu seinen Anspruchsgruppen, das sind Gruppen, die an der Leistung der NPO Interesse haben oder unmittelbar von dieser betroffen sind. Das sind die Vereinsmitglieder, das Leitungsteam, die künstlerische Leitung, Mitarbeiter, das Publikum, Kooperationspartner, Geldgeber usw.

NPO 1Weiters handelt die NPO im Rahmen ihrer formalen Organisation, ihrer Verfassung, ihrer Vereinsstatuten, die den Inhalt, den Zweck, die Rechte und Pflichten und die Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung ihrer Mitglieder festlegen.

Darüber hinaus tragen  im Nonprofit-Kulturbetrieb ehrenamtliche MitarbeiterInnen wesentlich zur Bestandssicherung bei. Ehrenamtliche Mitarbeit ist durch die Struktur und die wirtschaftliche Ausgangslage notwendig – für hauptamtliche Mitarbeit fehlt oft das Geld. Gleichzeitig motivieren die besonderen Anreize der NPO (z.B. Arbeitsinhalte, Freiheitsspielräume, Arbeitsbedingungen, Sozialstatus) dazu, Stellen oder Ehrenämter zu übernehmen.

Reicht es daher, den Fokus ausschließlich auf die Realisierung des künstlerischen Kernzieles zu legen?

Meiner Ansicht nach klar und eindeutig: Nein!

Kulturbetriebe, die als NPOs aufgestellt sind, sind überaus komplexe Systeme. Nonprofit-Organisationen und damit auch der überwiegenden Anzahl von Kulturvereinen verlangen nach Struktur, Ordnung, Führung. Gerade die Tatsache, dass ein qualitatives Ziel (die Verwirklichung einer künstlerischen Idee) und nicht eine quantitative Größe wie z.B. der Gewinn im Vordergrund steht, macht die Entscheidungsfindung und Führung einer solchen Organisation schwierig.

Den Besonderheiten widmen sich die folgenden vier Blogs – lesen Sie also die Fortsetzung und bleiben Sie dran – die erste Herausforderung bedeutet die Frage „Kunst versus Wirtschaft – Gegnerschaft oder Partnerschaft“!

Brauchen Kulturbetriebe überhaupt Marketing?

Die schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für Kulturbetriebe lassen vermuten, dass in irgendeiner Form Handlungsbedarf besteht, um trotz der Umwälzungen einen Platz im Markt zu behaupten oder zu ergattern. Ist Marketing ein Allheilmittel für die Bewältigung der neuen Herausforderungen?

Nicht wenige Musiker lehnten und lehnen Marketing für den klassischen Musikbetrieb grundsätzlich ab. Die Hauptangst steckt in der These, dass die Kunst der Nachfrage angepasst würde und damit das Unzugängliche und Widerständige als Kern von Kunst und Kultur verschwände. Die immer wieder kehrenden Argumente dafür sind:

Klassische Musik bzw. Kultur und Marketing sind zwei Bereiche, die diametral entgegengesetzt sind.

Mit Kultur-Marketing ist verbunden, bloß dem Geschmack des Publikums hinterher zu rennen.

Die Folge daraus ist ein Angebot, das am schlechten Massengeschmack orientiert ist.

Musikalische bzw. kulturelle Ansprüche, Überproduktion von seichter Kunst, Schrumpfung auf den Event, keine künstlerischen Experimente oder Innovationen sind die Folgen einer Marktorientierung von klassischer Musik bzw. Kultur. (Vlg. Michael Theede, Management und Marketing von Konzerthäusern. Frankfurt am Main 2007)

Der Begriff „Marketing“ wird reduziert auf „Werbung“, „Absatz“ oder gar „Manipulation“ oder „Konsumterror“.  Auf die Spitze getrieben bedeutet diese Auffassung die Reduzierung von Marketing auf ein Instrument zu Schaffung oder gar Steigerung der Nachfrage, z.B. den Verkauf eines Kühlschranks an einen Eskimo.

Tatsächlich umfasst aber modernes Marketing viel mehr als das:

Marketing ist der Ausdruck für eine umfassende Philosophie und Konzeption des Planens und Handelns, bei der alle Aktivitäten eines Kulturbetriebs konsequent auf die gegenwärtigen und zukünftigen Erfordernisse der Märkte ausgerichtet werden, mit dem Ziel der Befriedigung von Bedürfnissen des Kulturmarktes und der individuellen Ziele des Kulturbetriebs und seiner Mitarbeiter.

Es geht also darum, alle Aktivitäten eines Unternehmens, nicht nur die Werbung, den Verkauf oder die Kommunikation auf die Erfordernisse des Marktes unter Bedachtnahme auf die eigenen Ziele hin auszurichten und die Bedürfnisse bestehender und potentieller Zielgruppen – dies sind Kunden ebenso wie andere interne und externe Anspruchsgruppen – zu befriedigen.

Unter der Prämisse, dass Kulturbetriebe einem massiven Professionalisierungsdruck ausgesetzt sind, macht ganzheitliches und den gesamten Kulturbetrieb erfassendes Marketing sehr wohl Sinn. Aber selbst ohne sich verändernde Rahmenbedingungen sind die Festschreibung grundsätzlicher Zielsetzungen, eine sorgfältige Analyse, eine längerfristige Strategieplanung, eine gut durchdachte Marketingstrategie und die Ausrichtung am Publikum sowie ein begleitendes Controlling äußerst nützliche und notwendige Aspekte für jede Organisation, ob es sich nun um einen Eiskastenhersteller, ein Konzerthaus oder um einen Chor handelt.

Ja, es braucht also ein Marketing im umfassenden Sinn!

Der Tod kommt auf leisen Sohlen … Der Hochkultur-Kulturbetrieb und seine Umwelt

„Die Gesellschaft braucht Kultur!“, sagen Kulturschaffende. Sagen auch Politiker, sagen auch Wissenschaftler, sagt auch das Publikum.

Einverstanden. Kultur war und ist von je her ein die Gesellschaft prägender Faktor. Ganz früher in Form des Ausdrucks des Lebensalltags, in Ritualen, im Einklang mit der Natur und Tradition. Später zur Definition gesellschaftlicher Gruppen und Abgrenzung zu anderen, z.B. des Bürgertums gegenüber dem Adel. Dann zur Kontemplation – zum reinen Kunstgenuss um seiner selbst willen (abendländischer Sonderweg nach Max Weber). Und heute? Die so lange aufrecht erhaltenen Grenze zwischen Hochkultur und Popularkultur ist aufgehoben oder wird jedenfalls immer häufiger überschritten. Die Zuordnung von  Kunstrezeptionsverhalten zu gesellschaftlichen Gruppen funktioniert nicht mehr treffsicher. Unschärfen, fließende Grenzen, weniger entweder-oder und mehr sowohl-als auch- Entscheidungen der Menschen stellen Produzenten, Kunstschaffende im Bereich der Hochkultur vor Schwierigkeiten in der Frage, wer zur eigenen Zielgruppe zählt.

Die Rahmenbedingungen für den Hochkultur-Kulturbetrieb haben sich verändert und verändern sich laufend weiter. Aber nicht alle Kulturbetriebe haben diese Veränderungen bereits registriert und/oder wollen diese nicht wahrhaben:

Das Publikum der Hochkultur vergruftet. Die  Menschen, die als Abonnenten bisher die Bank für die Kulturinstitutionen, Konzert- und Opernhäuser, darstellten und für gefüllte Säle sorgten, werden älter – und damit langfristig zwangsläufig weniger. Wer ist das zukünftige Publikum der renommierten Institutionen?

Öffentliche Gelder werden stark zurückgeschraubt, eine Subvention an den nachweisbaren gesellschaftlichen Nutzen gleichermaßen wie an den wirtschaftlichen Erfolg eines Kulturprojekts, einer Kulturveranstaltung geknüpft. Ökonomische Erfolgskontrolle steht auf der Tagesordnung. An öffentliche Mittel zu gelangen wird immer schwieriger. Und die Suche nach geeigneten Sponsoren ist angesichts der wirtschaftlich angespannten Rahmenbedingungen und der gestiegenen Ansprüche an eine Sponsoring-Geschäftsbeziehung auch kein Spaziergang!

Unsere Gesellschaft hat sich verändert: Erlebnisgesellschaft und Multioptionsgesellschaft nennen Soziologen die neuen Verhältnisse. Die Menschen suchen das Erlebnis, den Event, den Mehrwert in allen Aktivitäten ihres Lebens, daher auch in Kulturveranstaltungen. Das Hörerlebnis allein reicht nicht aus, um die Erwartungen des Publikums zufrieden zu stellen. Und das breite Angebot bietet den Menschen viele Optionen parallel, das bedeutet, die Menschen können und wollen aus einer Fülle von Möglichkeiten wählen (so wie auch in allen anderen Lebensbereichen – beim Lebensmitteleinkauf, bei der Wahl der Kleidung, der Urlaubsdestination usw.), und der Kulturbetrieb muss sich erst einmal in der ersten Reihe positionieren, um die Chance zu haben, wahrgenommen zu werden.

In jedem Lebensbereich, in dem man in die Rolle des Kunden schlüpft, werden die Ansprüche an den Kundenservice groß geschrieben. Übersichtliche Websites, kompetente Mitarbeiter, leicht erreichbare Beschwerdestellen, einwandfreie Produktqualität erwartet der Kunde, das  Publikum, auch vom Kulturbetrieb. Die künstlerische Leistung selbst genügt heute nicht mehr ohne weiteres, um die Erwartungen des Kunden zu befriedigen. Und nur zufriedene Kunden empfehlen den Kulturbetrieb weiter, kommen wieder …

Gesellschaftliche Veränderungen wirken stets auch für Kulturbetriebe. Vielleicht zeitverzögert, aber sie wirken! Die Veränderungen im Auge zu behalten, sie mit zu vollziehen, sich ihnen offen zu stellen und aktiv und vorausschauend Strategien zu entwickeln, sind essentielle Aufgaben für den Kulturbetrieb, um vor der Zeit mit der Zeit zu gehen.