Die Stakeholder eines Chores

Einen Schritt weiter – jetzt werden die Stakeholder des Kulturbetriebs „Chor“ ganz konkret gefasst – um die geht es, um deren Bedürfnisse und Interessen muss sich erfolgreiches Chormanagement drehen.

Da sind zunächst die internen Stakeholder – das sind jene, die ganz nah und unmittelbar an der Erfüllung des kulturellen / künstlerischen Auftrags dran sind und die Chorarbeit im engsten Sinn erfüllen:

Die SängerInnen, die künstlerische Leitung, das meist ehrenamtliche Führungsteam (der Vereinsvorstand, das Präsidium o.Ä.).

Der nächste Kreis der Stakeholder, einen konzentrischen Kreis weiter nach außen gedacht, umfasst jene Gruppen, die an der Erstellung des Produktes auch beteiligt sind oder Konsumenten des Produktes sind:

Ehren- und hauptamtliche MitarbeiterInnen, das Publikum, also die Kunden des Chores, Kooperationspartner (wie Solisten, Dirigenten, Komponisten, Orchester, andere Chöre usw.), Auftraggeber (wie externe Veranstalter, Agenturen o.Ä.), Lieferanten (Post, Telefonanbieter, Botendienste usw. für den administrativen Bereich; Grafiker, Fotografen etc. für die Umsetzung der Corporate Communication, u.Ä.), Verlage (insbesondere Musikverlage – relevant die Frage des Urheberrechts), und sämtliche Geldgeber, seien dies Spender, Sponsoring-Partner oder Subventionsgeber (Zuwendungen seitens der öffentlichen Hand).

Noch einen Schritt weiter nach außen gedacht sind für eine Chor Bund, Länder, Gemeinden (z.B. durch Gesetzgebung, Verordnungen oder Bescheide), Verbände, die Öffentlichkeit und die Gesellschaft für den Chor relevante Stakeholder.

08 Abb Stakeholder eines Chores

Alle diese genannten Gruppen sind unmittelbar oder mittelbar von der Erfüllung des künstlerischen Auftrags (der Chorarbeit, die in einem Auftritt mündet) betroffen, haben unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Bedürfnisse, die der Chor kennen und auf die er seine Arbeit ausrichten sollte, um erfolgreich zu sein.

In den folgenden Blogs werde ich nacheinander die Besonderheiten der einzelnen Stakeholdergruppen vertiefen und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Chorarbeit herausarbeiten.

Erste Buchrezension online!

Heute ist online die erste Rezension zu meinem Buch „Erfolgreiches Chormanagement. Ein Leitfaden“ erschienen – am Musikwirtschaftsforschungs-Blog von Peter Tschmuck:

“Der Chor ist ein Kulturbetrieb, und sein Wirkungsbereich geht weit über das Singen hinaus” (S. 110). Das ist die Kernbotschaft des jüngst im facultas Verlag erschienen Buches “Erfolgreiches Chormanagement. Ein Leitfaden” von Alexandra Jachim. Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Als studierte Betriebswirtin und Absolventin des postgradualen Kulturmanagement-Lehrgangs am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft (IKM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien verbindet sie ihre wirtschaftlichen Kenntnisse mit ihrer Erfahrung im Chorwesen, in dem sie seit über 20 Jahren aktiv als Sängerin und als Chormanagerin aktiv ist. Wie der Untertitel des Buchs bereits andeutet, handelt es sich bei diesem Buch um einen Handlungsleitfaden für alle im Chorwesen Beschäftigten und daran Interessierten. …“

Die gesamte Rezension ist unter

http://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2013/04/18/erfolgreiches-chormanagement-eine-buchbesprechung/

zu finden.

Zieldefinition im Kulturbetrieb am Beispiel Chor

Haben Sie einmal Mission und Vision formuliert (siehe letzter Blogbeitrag), ist die nächste Aufgabe, daraus Ziele abzuleiten und diese in Strategien zur Zielerreichung herunter zu brechen. Die strategischen Ziele spannen den großen Bogen, geben die große Linie vor. Die operationalen Ziele beschreiben dann, wie die strategischen Ziele bezogen auf konkrete Aufgabenbereiche in die Tat umgesetzt werden. Operationalisierbar bedeutet, dass die Zielerreichung messbar ist. Nach wie vor sind die Zieldimensionen des Kulturmarketings (Kulturauftrag erfüllen, eine bestimmte Zielgruppe erreichen, den Bestand der Kultureinrichtung sichern) Basis für die Arbeit im Kulturbetrieb und die Besonderheiten der Nonprofit-Organisation (siehe frühere Blogs) zu berücksichtigen. Die Legitimation für den NPO-Kulturbetrieb kommt nicht aus der Gewinnorientierung, sondern aus künstlerischen, kulturpolitischen, ästhetischen, kulturpädagogischen oder inhaltlichen Zielsetzungen.

Im Prozess der Zielvereinbarung geht es darum, mehrere Zieldimensionen im Auge zu behalten:

1. Inhaltliche Leistungsziele, also den Zielinhalt und den angestrebten Zielerreichungsgrad
Z.B.: Welche Bedeutung soll zeitgenössischer Chorliteratur entgegengebracht werden? Welche Qualitätsansprüche werden an die Sänger gestellt?

2. Die Zielgruppen
Z.B.: Welche Zielgruppen sollen mit welchen Konzertprogrammangeboten vorrangig erreicht werden?

3. Finanzziele, die den zur Zielerreichung nötigen personellen, finanziellen und sachlichen Ressourcenaufwand fixieren.

4. Personenbezogene Ziele, die sich auf die Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter beziehen
Z.B. Eine MitarbeiterIn soll mittelfristig die Website ganz selbstständig betreuen, Informationen einpflegen, aktuelle Fotos in entsprechender Auflösung und Qualität hochladen o.Ä.m.

5. Die zeitliche Dimension, also ob es sich um ein lang-, mittel- oder kurzfristiges Ziel handelt.

6. Quantitatives oder qualitatives Ziel
Z.B.: erzielte Einnahmen oder künstlerisch einzigartige Performance

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Im Idealfall entsprechen die Zieldefinitionen den SMART-Kritierien, das bedeutet, dass die Ziele spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminbezogen formuliert sind. Damit werden sie erstens konkreter und zweitens kann hinterher klar beurteilt werden, ob Ziele erreicht wurden oder nicht.

Spezifisch bedeutet, unmissverständlich zu benennen, worum es geht. Die Formulierung soll keinen Spielraum für Interpretationen oder Nachforderungen übrig lassen.

Messbar meint, Ziele so zu formulieren, dass später objektiv erkennbar und nachweisbar ist, ob das Ziel eingehalten und erreicht wurde, oder nicht. Begriffe wie „höher“, „weiter“, „besser“, „mehr“ oder „zufrieden“ helfen bei der Überprüfung der Zielerreichung nicht weiter!

Attraktiv bedeutet, dass man die Zielerreichung weitgehend selbst beeinflussen kann. Man beschreibt also bei der Zielformulierung bereits den beabsichtigten Endzustand, als ob er bereits eingetreten wäre. Realistisch meint, dass das Ziel anspruchsvoll, aber nicht unerreichbar formuliert werden soll. Das formulierte Ziel soll eine erreichbare Zukunftsperspektive darstellen.

Realistisch meint, dass das Ziel anspruchsvoll, aber nicht unerreichbar formuliert werden soll. Unerreichbare Ziele wirken demotivierend und zerstören den Handlungsantrieb. Das formulierte Ziel soll eine erreichbare Zukunftsperspektive darstellen.

Terminbezogen bedeutet, die Zielkontrolle dadurch zu unterstützen, dass bereits bei der Formulierung des Ziels festgelegt ist, zu welchem Zeitpunkt (eindeutiger Endtermin!) ein Ziel erreicht sein soll.

Zielkonflikte sind dabei nicht zu vermeiden. Es gilt, sie zu erkennen und eine Abwägung in der Priorität der Zielerreichung zu treffen.

Wofür diese grundsätzlichen Überlegungen in der Praxis so überaus wertvoll sind, wird durch ein praktisches Beispiel aus dem Chorleben leicht nachvollziehbar:

Sie planen ein Konzert Ihres Chores mit zeitgenössischer a cappella Literatur. Gehen wir davon aus, dass Sie sich entsprechend Ihrer Mission als Spezialist für die Interpretation dieser Chorliteratur verstehen. Gleichzeitig wissen Sie, dass Ihr Publikum lieber romantische Chormusik (z.B. Werke von Johannes Brahms oder Anton Bruckner) hört und auch ein Teil Ihrer Sänger diese Literatur lieber aufführt als zeitgenössische Werke. Zudem ist die Probenarbeit weit aufwändiger für ein zeitgenössisches Programm. Der Finanzierungsbedarf ist also höher als bei einem romantischen Programm und die Begeisterung Ihres Publikums scheint zurückhaltender zu sein, wenngleich Sie bei einem solchen Programm stark auf die Abendeinnahmen angewiesen sind. Öffentliche Förderungen wiederum sind nach Ihrer Erfahrung leichter für ein zeitgenössisches als für ein romantisches Programm zu erzielen. Die Beschreibung der Auswirkungen auf Ihre unterschiedlichen Anspruchsgruppen könnte noch weiter ausgeführt werden. Klar wird an diesem Beispiel, dass die Beurteilung, ob ein solches Projekt in Ihr Zielsystem passt und wie gegensätzlich Ihre Ziele sein können, überaus komplex ist. Sie stehen dann vor einer wirklich großen Herausforderung und werden auch über Zielhierarchien, also die Frage, die Verfolgung welcher Ziele Ihnen wichtiger ist, entscheiden und Zielkonflikte lösen müssen.

Ein Zielsystem ist nicht als Einschränkung und enges Korsett zu verstehen, in das man sich nicht gerne zwängen lassen will, sondern vielmehr eine unterstützende Basis für Entscheidungen und die Erfüllung der anstehenden Aufgaben. Egal, ob es dann um Fragen der Erfüllung des künstlerischen Auftrags, um Fragen der Zielgruppen oder um Fragen der Bestandssicherung geht, kann auf der Grundlage klar definierter Ziele im Konfliktfall klarer und rascher die passendste Lösung gefunden werden.

Mission und Vision im Kulturbetrieb am Beispiel Chor

Wenn man in einem Chor danach fragt, wofür dieser steht und was er verwirklichen will, welchem kulturellen Auftrag er sich verpflichtet fühlt, erhält man allzu oft fragende Blicke oder die Antwort „Wir singen diese und jene Werke bei diesem oder jenem Anlass mit diesen und jenen Partnern!“ oder „Wir müssen uns nach der Nachfrage durch Veranstalter richten. Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen können wir uns gar nicht in dem Bereich verwirklichen, der uns eigentlich ein Anliegen ist.“ oder „Das ist doch eh klar. Wir machen das, was sich in den letzten Jahren für uns bewährt hat.“ Stimmt schon, das ist oft die Realität, der man sich gegenüber sieht. Aber was will man eigentlich inhaltlich?

„Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt“, wusste bereits Mark Twain.

_NIK4503_5_7Das gilt für Kulturbetriebe ebenso: Abseits des Choralltags und losgelöst von der Bewältigung organisatorischer Aufgaben sollten sich Chorleitung und Führungsgremium mit der Grundsatzfrage auseinandersetzen, was man eigentlich will, wofür man steht, worin man seine Einzigartigkeit und seine besonderen Fähigkeiten sieht. Man spricht von der Formulierung der eigenen Mission – vom „reason for being“, also dem Grund, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, überhaupt gibt. Ein oder zwei Sätze beantworten Fragen wie „Wofür halten wir uns kompetent?“, „Wo liegen die wahren Möglichkeiten und Bedürfnisse in unserem Umfeld?“, „Wie können wir diese Bedürfnisse mit unseren begrenzten Mitteln realisieren?“ und „Glauben wir auch daran, haben wir das Committment, die gestellten Aufgaben zu erfüllen?“.

Durch die Formulierung von Grundwerten und der Grundausrichtung kann sich der Kulturbetrieb Chor in weiterer Folge auf seine wichtigsten Aufgaben und Handlungen fokussieren. Das sogenannte Mission Statement dient als Orientierungshilfe und normativer Rahmen, innerhalb dessen zielorientiert alle weiteren Handlungen gesetzt werden.

Der zweite wichtige Aspekt ist, diese Grundausrichtung in eine Vorstellung für die Zukunft, die Vision, überzuleiten. Die Vision wird aus der Mission weiterentwickelt und beinhaltet eine Antwort auf die Frage, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, auch noch nach einigen Jahren nicht nur geben soll, sondern geben muss, wohin er sich in den nächsten Jahren entwickeln will. Aus der Mission wird also einerseits die Grundlage der dauerhaften Existenz abgeleitet und gleichzeitig andererseits ein positives Abbild der Entwicklung gezeichnet, das der Kulturbetrieb aus seiner Mission heraus in der Zukunft erreichen will.

Erst wenn das klar ist, können lang-, mittel- und kurzfristige Ziele formuliert und nachhaltig verfolgt werden, können Ressourcen auf diese Ziele hin geplant und eingesetzt werden, können Finanzierungen für Projekte gesucht werden usw.

Idealerweise gibt man diesen Grundsatzüberlegungen in einer eigens dafür vorgesehenen Sitzung, in einer Klausurtagung o.Ä. Platz, damit operative Fragen des Choralltags, die sonst stets dringlicher sind, nicht die Grundsatzdiskussion überlagern. Wichtig ist, ein einhelliges Grundverständnis über Mission und Vision unter allen handelnden Entscheidungsträgern herzustellen. Nur so ist gewährleistet, dass alle Beteiligten die gleiche Zielrichtung eingeschlagen haben und den Chor in dieselbe Richtung  weiterentwickeln wollen. Uneinigkeit in der Grundrichtung vereitelt konstruktive Arbeit in der Umsetzung der Mission und Vision, verursacht in der Folge Zielkonflikte und lässt Maßnahmen des Kulturmarketings ins Leere gehen.

Lesen Sie im nächsten Blog weiter über Ziele und Strategieentwicklung im Kulturbetrieb!

Chöre und Management – Widerspruch oder Notwendigkeit?

Chöre haben in Österreich eine lange Tradition und sind vielerorts Ausdruck der gemeinsamen Kultur, des gemeinsamen kulturellen Schaffens, des gemeinsamen Musizierens, sie artikulieren im Kollektiv Haltungen und Emotionen.

Chöre sind aber auch ganz wesentlich eine soziale Einheit mit allen Ausprägungen des gemeinsamen Tuns, einem ausgesprochenen und vielmehr einem unausgesprochenen, aber nachdrücklich gelebten Regelwerk unterworfen, eine Gruppe von Individuen mit unterschiedlichen Begabungen, Interessen, anderer Geschichte usw. Aber eine Gruppe, die das Singen als gemeinsame Leidenschaft betreibt.

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Gemeinsames Tun mit der Ausrichtung auf Erreichung eines gemeinsamen Zieles, einem Konzert, einem Auftritt, verlangt nach Ordnung. Der Weg, wie der Chor zu diesem Ziel kommt, muss bewusst gestaltet werden: Entscheidungen müssen getroffen, Rahmenbedingungen festgelegt, die Verständigung über das was und wie, die Spielregeln fürs dabei ober eben nicht dabei sein, beschlossen und kommuniziert werden.

Die bemühte Differenzierung nach der Qualität des Chores, nach der Eigenschaft, ob Laien- oder Profichor, ist hierbei nicht von Belang. Lediglich die Tiefe, der Umfang, die beteiligten Personengruppen wird mit dem Professionalisierungsgrad des Chores komplexer. Aber dennoch besteht der dringende Bedarf, Prozesse im Chor und vom Chor zu seiner Umwelt zu gestalten – und zwar ganz wesentlich im nicht sängerischen Bereich.

Fragen Sie ein aktives Chormitglied, wie es gerade so läuft im Chor – und Sie werden viele Antworten erhalten, die mit dem Singen selbst nichts zu tun haben, das Geschehen im Chor aber wesentlich beeinflussen: „Das Vorstandsmitglied ist schon wieder zu spät zu einer Probe gekommen – was für ein schlechtes Vorbild!“ oder „Die Probenzeiten für das Probenwochenende stehen noch immer nicht fest und ich kann zeitlich nicht planen!“ oder „Hast du die neuen Soprane gehört? Die können das Stück X immer noch nicht!“ oder „Ich bin auf dem Foto am neuen Plakat schon wieder nicht drauf! Immer dieselben Gesichter suchen sie aus!“ Alles Statements, die mit der eigentlichen künstlerischen Arbeit nichts zu tun haben, aber dennoch starken Einfluss aufs gemeinsame Singen haben –auf niedrige Motivation, Kränkung, sich nicht zugehörig fühlen, Ausgrenzung …

Umgekehrt sind positive Erlebnisse die besten Stimmungsmacher!

Wer also mit Bedacht handelt, aufmerksam beobachtet, Kleinigkeiten bedenkt, gut und umsichtig organisiert, langfristig plant, offen kommuniziert, kann viel Positives zur künstlerischen Leistung beitragen.

Sie müssen es nicht Management nennen! Aber eine qualitätsvolle Führung durch Chorleitung und Chorvorstand braucht jeder Chor, wenn er musikalisch vorankommen will!