Chöre und Management – Widerspruch oder Notwendigkeit?

Chöre haben in Österreich eine lange Tradition und sind vielerorts Ausdruck der gemeinsamen Kultur, des gemeinsamen kulturellen Schaffens, des gemeinsamen Musizierens, sie artikulieren im Kollektiv Haltungen und Emotionen.

Chöre sind aber auch ganz wesentlich eine soziale Einheit mit allen Ausprägungen des gemeinsamen Tuns, einem ausgesprochenen und vielmehr einem unausgesprochenen, aber nachdrücklich gelebten Regelwerk unterworfen, eine Gruppe von Individuen mit unterschiedlichen Begabungen, Interessen, anderer Geschichte usw. Aber eine Gruppe, die das Singen als gemeinsame Leidenschaft betreibt.

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Gemeinsames Tun mit der Ausrichtung auf Erreichung eines gemeinsamen Zieles, einem Konzert, einem Auftritt, verlangt nach Ordnung. Der Weg, wie der Chor zu diesem Ziel kommt, muss bewusst gestaltet werden: Entscheidungen müssen getroffen, Rahmenbedingungen festgelegt, die Verständigung über das was und wie, die Spielregeln fürs dabei ober eben nicht dabei sein, beschlossen und kommuniziert werden.

Die bemühte Differenzierung nach der Qualität des Chores, nach der Eigenschaft, ob Laien- oder Profichor, ist hierbei nicht von Belang. Lediglich die Tiefe, der Umfang, die beteiligten Personengruppen wird mit dem Professionalisierungsgrad des Chores komplexer. Aber dennoch besteht der dringende Bedarf, Prozesse im Chor und vom Chor zu seiner Umwelt zu gestalten – und zwar ganz wesentlich im nicht sängerischen Bereich.

Fragen Sie ein aktives Chormitglied, wie es gerade so läuft im Chor – und Sie werden viele Antworten erhalten, die mit dem Singen selbst nichts zu tun haben, das Geschehen im Chor aber wesentlich beeinflussen: „Das Vorstandsmitglied ist schon wieder zu spät zu einer Probe gekommen – was für ein schlechtes Vorbild!“ oder „Die Probenzeiten für das Probenwochenende stehen noch immer nicht fest und ich kann zeitlich nicht planen!“ oder „Hast du die neuen Soprane gehört? Die können das Stück X immer noch nicht!“ oder „Ich bin auf dem Foto am neuen Plakat schon wieder nicht drauf! Immer dieselben Gesichter suchen sie aus!“ Alles Statements, die mit der eigentlichen künstlerischen Arbeit nichts zu tun haben, aber dennoch starken Einfluss aufs gemeinsame Singen haben –auf niedrige Motivation, Kränkung, sich nicht zugehörig fühlen, Ausgrenzung …

Umgekehrt sind positive Erlebnisse die besten Stimmungsmacher!

Wer also mit Bedacht handelt, aufmerksam beobachtet, Kleinigkeiten bedenkt, gut und umsichtig organisiert, langfristig plant, offen kommuniziert, kann viel Positives zur künstlerischen Leistung beitragen.

Sie müssen es nicht Management nennen! Aber eine qualitätsvolle Führung durch Chorleitung und Chorvorstand braucht jeder Chor, wenn er musikalisch vorankommen will!

Die Kulturmanagerin.

Das bin ich und das mache ich. Aber was eigentlich genau? Kulturmanagerin – ein Begriff, der auf den ersten Blick logisch und eindeutig erscheint: Eine Kulturmanagerin managt Kultur. Also doch nicht logisch und eindeutig – denn eine Tautologie – die Erklärung eines Begriffs mit sich selbst – eignet sich nicht zu seiner Erläuterung.

Daher ein zweiter Blick: Kultur umfasst alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt (im Gegensatz zu der nicht von ihm geschaffenen Natur). Noch zu allgemein, also einen Schritt weiter: Kultur ist die Summe geteilter Werte und Normen, die symbolisch über menschliche Praktiken, Handlungen und Produkte kommuniziert werden (Hasitschka, Werner: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 6. Auflage 2007, Schäfer-Poeschel-Verlag Stuttgart). Noch zu abstrakt, also weiter: Es geht um Werte und Normen, die von mehreren Menschen geteilt und getragen werden und über bestimmte Praktiken anderen Menschen mitgeteilt werden. Noch immer zu abstrakt? Also: Mehrere Menschen drücken über ihren gemeinsamen Gesang eine Leidenschaft, eine Idee, eine Geisteshaltung aus. Ein Bildhauer drückt in einer Skulptur seine Kritik an einer konkreten Praxis der Gesellschaft aus. Ein Maler fängt ein Ereignis in einem Bild ein und macht es anderen zugänglich. Ein Architekt plant ein Wohnhaus und stellt es wohlüberlegt in den dieses Gebäude umgebenden Kontext und berücksichtigt die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner. Ein Musikfestival will seinen Besuchern die Begeisterung für die dargebotenen Werke, den Inhakt, den Hintergrund, den Kontext näherbringen.

Und ein dritter: Management beinhaltet die Aufgaben Planung, Organisation, Führung, Erfolgskontrolle. Wieder zu abstrakt? Management bedeutet Ziele und Strategien zur Zielerreichung entwickeln, Strukturen für die Zielerreichung schaffen, konkrete Abläufe organisieren, Mitarbeiter in der Umsetzung begleiten und unterstützen und am Ende prüfen, ob und in welchem Ausmaß die gesteckten Ziele tatsächlich erreicht wurden. Wie passt das zusammen? Trockene im wirtschaftlichen Kontext verortete Aufgaben und kreative ausdrucksstarke emotionale Kulturereignisse? Das passt perfekt! Denn was macht die Kultur ohne die Schnittstelle zu ihren Rezipienten, ihrem Publikum, ihren Kunden. Und was macht die Kulturmanagerin ohne ihr Produkt, die künstlerische Leistung?

Die Kulturmanagerin schafft Verbindungen zwischen dem kreativen Schaffen und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Sie spricht die Sprache beider Seiten und versteht Ideale und Restriktionen. Sie hilft bei der Realisierung und Umsetzung mit. Sie kennt die Stärken und Schwächen der Kulturschaffenden und ermittelt die Chancen und Risken in der die Kulturschaffenden umgebenden Umwelt. Sie bietet Knowhow und Fachkenntnis in Bereichen an, über die Kulturschaffende nicht zwangsläufig verfügen. Sie entlastet sie in wirtschaftlichen und organisatorischen Belangen und spielt die Künstler für ihre eigentliche Kernaufgabe frei.

Kulturmanagerin – das bin ich.