Kunst versus Wirtschaft – Gegnerschaft oder Partnerschaft? Besonderheiten des Kulturbetriebs als Nonprofit-Organisation (1)

Als primäres Ziel verfolgt ein Kulturbetrieb als Nonprofit-Organisation die Ermöglichung von Kunst und Kultur, seine Gründungsidee, seinen künstlerischen Anspruch. Erst auf zweiter Stufe steht die Erwirtschaftung von Gewinnen bzw. die Sicherstellung des Überlebens der Kultureinrichtung. Dies kann in Widerspruch zu ökonomischen Überlegungen treten.

So weit, so gut.

Aber: Das ist kein Freibrief dafür, ökonomischen Überlegungen außer Acht zu lassen. Entsprechend der drei Zieldimensionen im Kulturmarketing (nach Armin Klein) (Blog …) muss der Kulturbetrieb seine Leistung sowohl hinsichtlich des Aspektes  „künstlerische Leistung“ als auch hinsichtlich des Aspektes  „Bestandssicherung“ definieren und gestalten. Und Bestandssicherung ist immer auch eine wirtschaftliche Dimension.

Wie gewichtet man nun die Bereiche Wirtschaft und Kunst, gibt es eine Über- und Unterordnung der beiden Bereiche, hat einer vor dem anderen Vorrang?

Variante 1: Wirtschaft vor Kunst

Sie übernehmen unmodifiziert rein betriebswirtschaftliche Entscheidungskriterien, die zu einer Vernachlässigung der Sinnorientierung, dessen, wofür es den Kulturbetrieb überhaupt erst gibt, führt. Sie laufen Gefahr, in selbst zerstörerischer Tendenz die Bindung Ihrer Mitglieder und die Legitimation Ihres Betriebs aufs Spiel zu setzen oder sogar zu verlieren. Wirtschaftlicher Gewinn kann in Identitäts- und Kreativitätsverlust münden.

NPO 2Variante 2: Kunst ohne wirtschaftliche Grundlage

Sie vernachlässigen unter Berufung auf Ihr künstlerisches Ziel ökonomische Effizienzkriterien. Dann verfolgen Sie zwar konsequent Ihr künstlerisches Ziel, haben aber die Korrosion Ihrer Geschäftsgrundlage bewusst in Kauf genommen und werden früher oder später möglicherweise in eine Lage schlittern, die die Existenz Ihres Kulturbetriebs bedroht.

Variante 3: Gleichwertigkeit von Kunst und Wirtschaft

Die Herausforderung – und nicht das Problem – ist, einen gesunden Ausgleich zwischen den beiden Extrempositionen zu finden! Die Ziele des Kulturbetriebs bestehen darin, einen kulturellen Auftrag zu erfüllen, bestimmte Zielgruppen erreichen und den Bestand Ihrer Kultureinrichtung sichern. Wer diese drei Bereiche im Auge behält, muss sich auf den Balanceakt der Abstimmung und des Kompromisses einlassen! Kunst und Wirtschaft sind nicht Gegner, sondern dienen einander. Ohne künstlerische Kreativität, ohne künstlerisches Ziel verliert der Kulturbetrieb seine Existenzgrundlage. Aber je besser die ökonomischen Grundlagen sind, desto freier werden Sie in der künstlerischen Verwirklichung, desto größer wird Ihr Spielraum in der Umsetzung neuer innovativer Projekte.

Lesen Sie im nächsten Blog „Wünsche der Mitglieder oder langfristige Ziele – was setzt sich durch?“

Kulturmarketing für Nonprofit-Kulturbetriebe: Zieltrias im Kulturmarketing

Was bedeutet Kulturmarketing für Nonprofit-Kulturbetriebe, also für jene, deren zentrales Ziel nicht der realisierte finanzielle Gewinn ist? Schließlich ist die überwiegende Zahl kleiner und Kulturbetriebe mittlerer Größe wie Kulturvereine, Kulturinitiativen, Chöre, Orchester, Theatergruppen usw. als Nonprofit-Betrieb und daher nicht kommerziell orientiert aufgestellt.

Die Ziele dieser Nonprofit-Kulturbetriebe liegen außerhalb des Ökonomischen: Man möchte Besucher, das Publikum, also die Kunden kulturell bilden, deren ästhetisches Urteilsvermögen weiter entwickeln, deren soziales oder politisches Bewusstsein stärken oder einen kulturpolitischen Auftrag erfüllen.

Im Mittelpunkt steht das künstlerische Produkt oder die kulturelle Dienstleistung, z.B. das Konzert, die Ausstellung, der Kulturtag etc., welche die inhaltlich-künstlerische Zielsetzung erfüllt und sich – ganz wesentlich – damit an eine bestimmte Zielgruppe wendet. Der Kulturbetrieb muss sehr gut darüber Bescheid wissen, wer die eigenen tatsächlichen und potentiellen Besucher sind und was sie dazu motiviert oder davon abhält, seine Kulturveranstaltung zu besuchen. Und er muss verstärkt zur Sicherung seines Bestandes beitragen, wenn er auf dauerhaften Bestand hin angelegt ist. Das heißt, gegenwärtige Projekte oder Handlungen dürfen nicht die Existenz des Kulturbetriebs in der Zukunft gefährden.

Damit wird Kulturmarketing zu einer Managementaufgabe.

Armin Klein (vgl. Innovatives Kulturmarketing. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002) beschreibt dies als Zieltrias im Kulturmarketing und definiert die Zieldimensionen für den Nonprofit-Kulturbetrieb so:

1. Kulturellen Auftrag erfüllen

2. Bestimmte Zielgruppen erreichen

3. Bestand der Kultureinrichtung sichern

Die bloße Konzentration auf das künstlerische Produkt greift zu kurz. Nur allzu lange wurde und wird zum Teil immer noch Kulturmarketing von Kulturbetrieben abgelehnt, weil man meint(e), dass die Qualität des Produkts allein als Kaufargument oder Konsummotiv ausreiche und bei minderem Erfolg die Unkenntnis oder fehlendes Fachwissen der Besucher für diesen verantwortlich wären, anstelle die Besucher und deren Erwartungen und Bedürfnisse in die Überlegungen einzubeziehen.

Umgekehrt können die ausgeklügeltsten Besucherbindungsprogramme fehlende inhaltlich-ästhetische bzw. künstlerische Qualität nicht wettmachen. Der beste Service, die höchste Kundenorientierung funktioniert nicht, wenn die Qualität der künstlerischen Hervorbringung nicht stimmt.

Und die Bestandssicherung des Kulturbetriebs ist als regulierende Basis für die Freiheit der Kunst unerlässlich.

Es gilt, eine ausgewogene Balance zwischen der künstlerischen Freiheit, der Orientierung am Publikum und der Gewährleistung des Fortbestands des Kulturbetriebs herzustellen, um erfolgreich zu sein. Wer eine Dimension vernachlässigt, wird kurzfristig davonkommen, aber mittel- und langfristig die negativen Folgen verantworten müssen!

Brauchen Kulturbetriebe überhaupt Marketing?

Die schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für Kulturbetriebe lassen vermuten, dass in irgendeiner Form Handlungsbedarf besteht, um trotz der Umwälzungen einen Platz im Markt zu behaupten oder zu ergattern. Ist Marketing ein Allheilmittel für die Bewältigung der neuen Herausforderungen?

Nicht wenige Musiker lehnten und lehnen Marketing für den klassischen Musikbetrieb grundsätzlich ab. Die Hauptangst steckt in der These, dass die Kunst der Nachfrage angepasst würde und damit das Unzugängliche und Widerständige als Kern von Kunst und Kultur verschwände. Die immer wieder kehrenden Argumente dafür sind:

Klassische Musik bzw. Kultur und Marketing sind zwei Bereiche, die diametral entgegengesetzt sind.

Mit Kultur-Marketing ist verbunden, bloß dem Geschmack des Publikums hinterher zu rennen.

Die Folge daraus ist ein Angebot, das am schlechten Massengeschmack orientiert ist.

Musikalische bzw. kulturelle Ansprüche, Überproduktion von seichter Kunst, Schrumpfung auf den Event, keine künstlerischen Experimente oder Innovationen sind die Folgen einer Marktorientierung von klassischer Musik bzw. Kultur. (Vlg. Michael Theede, Management und Marketing von Konzerthäusern. Frankfurt am Main 2007)

Der Begriff „Marketing“ wird reduziert auf „Werbung“, „Absatz“ oder gar „Manipulation“ oder „Konsumterror“.  Auf die Spitze getrieben bedeutet diese Auffassung die Reduzierung von Marketing auf ein Instrument zu Schaffung oder gar Steigerung der Nachfrage, z.B. den Verkauf eines Kühlschranks an einen Eskimo.

Tatsächlich umfasst aber modernes Marketing viel mehr als das:

Marketing ist der Ausdruck für eine umfassende Philosophie und Konzeption des Planens und Handelns, bei der alle Aktivitäten eines Kulturbetriebs konsequent auf die gegenwärtigen und zukünftigen Erfordernisse der Märkte ausgerichtet werden, mit dem Ziel der Befriedigung von Bedürfnissen des Kulturmarktes und der individuellen Ziele des Kulturbetriebs und seiner Mitarbeiter.

Es geht also darum, alle Aktivitäten eines Unternehmens, nicht nur die Werbung, den Verkauf oder die Kommunikation auf die Erfordernisse des Marktes unter Bedachtnahme auf die eigenen Ziele hin auszurichten und die Bedürfnisse bestehender und potentieller Zielgruppen – dies sind Kunden ebenso wie andere interne und externe Anspruchsgruppen – zu befriedigen.

Unter der Prämisse, dass Kulturbetriebe einem massiven Professionalisierungsdruck ausgesetzt sind, macht ganzheitliches und den gesamten Kulturbetrieb erfassendes Marketing sehr wohl Sinn. Aber selbst ohne sich verändernde Rahmenbedingungen sind die Festschreibung grundsätzlicher Zielsetzungen, eine sorgfältige Analyse, eine längerfristige Strategieplanung, eine gut durchdachte Marketingstrategie und die Ausrichtung am Publikum sowie ein begleitendes Controlling äußerst nützliche und notwendige Aspekte für jede Organisation, ob es sich nun um einen Eiskastenhersteller, ein Konzerthaus oder um einen Chor handelt.

Ja, es braucht also ein Marketing im umfassenden Sinn!