Wenn man in einem Chor danach fragt, wofür dieser steht und was er verwirklichen will, welchem kulturellen Auftrag er sich verpflichtet fühlt, erhält man allzu oft fragende Blicke oder die Antwort „Wir singen diese und jene Werke bei diesem oder jenem Anlass mit diesen und jenen Partnern!“ oder „Wir müssen uns nach der Nachfrage durch Veranstalter richten. Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen können wir uns gar nicht in dem Bereich verwirklichen, der uns eigentlich ein Anliegen ist.“ oder „Das ist doch eh klar. Wir machen das, was sich in den letzten Jahren für uns bewährt hat.“ Stimmt schon, das ist oft die Realität, der man sich gegenüber sieht. Aber was will man eigentlich inhaltlich?
„Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt“, wusste bereits Mark Twain.
Das gilt für Kulturbetriebe ebenso: Abseits des Choralltags und losgelöst von der Bewältigung organisatorischer Aufgaben sollten sich Chorleitung und Führungsgremium mit der Grundsatzfrage auseinandersetzen, was man eigentlich will, wofür man steht, worin man seine Einzigartigkeit und seine besonderen Fähigkeiten sieht. Man spricht von der Formulierung der eigenen Mission – vom „reason for being“, also dem Grund, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, überhaupt gibt. Ein oder zwei Sätze beantworten Fragen wie „Wofür halten wir uns kompetent?“, „Wo liegen die wahren Möglichkeiten und Bedürfnisse in unserem Umfeld?“, „Wie können wir diese Bedürfnisse mit unseren begrenzten Mitteln realisieren?“ und „Glauben wir auch daran, haben wir das Committment, die gestellten Aufgaben zu erfüllen?“.
Durch die Formulierung von Grundwerten und der Grundausrichtung kann sich der Kulturbetrieb Chor in weiterer Folge auf seine wichtigsten Aufgaben und Handlungen fokussieren. Das sogenannte Mission Statement dient als Orientierungshilfe und normativer Rahmen, innerhalb dessen zielorientiert alle weiteren Handlungen gesetzt werden.
Der zweite wichtige Aspekt ist, diese Grundausrichtung in eine Vorstellung für die Zukunft, die Vision, überzuleiten. Die Vision wird aus der Mission weiterentwickelt und beinhaltet eine Antwort auf die Frage, warum es den Kulturbetrieb, den Chor, auch noch nach einigen Jahren nicht nur geben soll, sondern geben muss, wohin er sich in den nächsten Jahren entwickeln will. Aus der Mission wird also einerseits die Grundlage der dauerhaften Existenz abgeleitet und gleichzeitig andererseits ein positives Abbild der Entwicklung gezeichnet, das der Kulturbetrieb aus seiner Mission heraus in der Zukunft erreichen will.
Erst wenn das klar ist, können lang-, mittel- und kurzfristige Ziele formuliert und nachhaltig verfolgt werden, können Ressourcen auf diese Ziele hin geplant und eingesetzt werden, können Finanzierungen für Projekte gesucht werden usw.
Idealerweise gibt man diesen Grundsatzüberlegungen in einer eigens dafür vorgesehenen Sitzung, in einer Klausurtagung o.Ä. Platz, damit operative Fragen des Choralltags, die sonst stets dringlicher sind, nicht die Grundsatzdiskussion überlagern. Wichtig ist, ein einhelliges Grundverständnis über Mission und Vision unter allen handelnden Entscheidungsträgern herzustellen. Nur so ist gewährleistet, dass alle Beteiligten die gleiche Zielrichtung eingeschlagen haben und den Chor in dieselbe Richtung weiterentwickeln wollen. Uneinigkeit in der Grundrichtung vereitelt konstruktive Arbeit in der Umsetzung der Mission und Vision, verursacht in der Folge Zielkonflikte und lässt Maßnahmen des Kulturmarketings ins Leere gehen.
Lesen Sie im nächsten Blog weiter über Ziele und Strategieentwicklung im Kulturbetrieb!