Neigung zur Abwehr von formalen Strukturen – Besonderheiten des Kulturbetriebs als Nonprofit-Organisation (3)

Bei der Betrachtung der Besonderheiten der Nonprofit-Kulturbetriebe folgt nun nach den Spannungsfeldern „Kunst versus Wirtschaft – Gegnerschaft oder Partnerschaft?“ und „Wünsche der Mitglieder und Mitarbeiter versus langfristige Ziele“ die dritte besondere Eigenschaft: Die Neigung zur Abwehr von formalen Strukturen.

Die Tendenz der Organisationsabwehr ist in NPOs stärker vorhanden als in gewinnorientierten Unternehmen. In profitorientierten Betrieben existieren meist klare formale Strukturen, ein Organigramm, Stellen und Zuständigkeiten sind definiert, ihnen ist formale Macht zugewiesen und auf dieser Basis werden Entscheidungen getroffen und gehandelt.

Anders in NPOs  – und das gilt für die Nonprofit-Kulturbetriebe nicht minder: formale Strukturen sind unklar, Zuständigkeiten nicht präzise formuliert und verbindlich, formale Macht wird tendenziell abgelehnt. Vielmehr wird personalisiert, d.h. ein Individuum, eine Persönlichkeit gestaltet ihren Aufgabenbereich – strenge Verhaltensregeln werden aufgelöst. Das gibt größere Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch größere Unsicherheit. Stellen Sie sich diese Situation in der Praxis so vor: „Jeder kann sich in alles einmischen und ist für nichts verantwortlich.“ (Von Eckhartstein / Simsa 2007, Entscheidungsmanagement in NPOs. S. 382. In: Badelt/Meyer/Simsa: Handbuch der Nonprofit Organisation. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2007)

Unklare Entscheidungskompetenzen oder die Differenz von formalen und informellen Regelungen sind die unliebsame Folge.

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Was ist konkret gemeint? Hierzu einige anschauliche Beispiele:

Hauptamtliche Mitarbeiter, die über mehr Zeit und Informationen verfügen, entscheiden über Agenden, die eigentlich im Entscheidungsbereich der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder liegen.

Noch konkreter: Ein Chormitglied setzt sich ständig über vereinbarte Verhaltensregeln im Entschuldigen von Fehlproben hinweg. Trotz der formalen Möglichkeit und Notwendigkeit, dieses Verhalten zu sanktionieren, nehmen die künstlerische Leitung oder das Führungsteam aus gruppendynamischen Überlegungen oder aus dem Bestreben, Konflikten aus dem Weg zu gehen, davon Abstand.

Die negativen Auswirkungen liegen auf der Hand: unangenehme Themen werden weitergeschoben, offene Fragen lange nicht oder unzureichend beantwortet, Uneinigkeiten zu gruppendynamischem Zündstoff. Interne und externe Anspruchsgruppen, die auf Informationen warten, müssen immer wieder vertröstet werden.

Klare Entscheidungsregeln, die auch eingehalten werden, ermöglichen rasches Handeln, geben allen Beteiligten Sicherheit und helfen den Bestand der Organisation zu sichern. In kontinuierlicher Rückbesinnung auf die Ziele des Kulturbetriebs ist abzuwägen, wo informelle Strukturen nicht nur zugelassen, sondern sogar positiv genutzt werden können und wo man besser in klaren formalen Strukturen aufgehoben ist.

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